Eine Pflegebedürftigkeit begründet keine objektive Unmöglichkeit der Selbstnutzung, auch wenn gesundheitliche Beeinträchtigungen zwingende der Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken entgegenstehende Gründe darstellen können.

Hintergrund

X ist Alleinerbin ihres im Jahre 2009 verstorbenen Vaters. Ein Grundstück mit einem 1951 erbauten Einfamilienhaus gehörte zum Nachlass. X hatte dieses Haus gemeinsam mit dem Vater bewohnt und wohnte zunächst weiterhin im Obergeschoss. Dementsprechend berücksichtigte das Finanzamt die Steuerbefreiung für ein Familienheim im Rahmen der Festsetzung der Erbschaftsteuer.
Im Jahr 2016 zog X aus und ließ das Haus abreißen. Die 10-Jahres-Frist war also noch nicht abgelaufen.
Darauf hin änderte das Finanzamt die Steuerfestsetzung und setzte die Erbschaftsteuer ohne die Steuerbefreiung fest.
Das Finanzgericht wies die Klage ab. Denn zwingende einer Selbstnutzung entgegenstehende Gründe fehlten, da Gebäudemängel oder Unwirtschaftlichkeit der Sanierung nicht genügten. Gesundheitliche Beeinträchtigungen hätten X nicht gehindert, mit Unterstützung durch einen Bekannten weiterhin das Obergeschoss zu nutzen.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück.
Zwingende Gründe, die einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken entgegenstehen, liegen vor, wenn die externen Hilfe- und Pflegeleistungen ein Ausmaß annehmen, dass nicht mehr von einer selbstständigen Haushaltsführung gesprochen werden kann.
Die Steuerbefreiung für den Erwerb eines Familienheims entfällt rückwirkend, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von 10 Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt. Es sei denn, er ist aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert.
Die Steuerbefreiung erfordert, dass die Selbstnutzung des Familienheims aus objektiven Gründen unmöglich oder nicht mehr zuzumuten ist. Das liegt nicht bereits bei Pflegebedürftigkeit vor, solange der Erwerber mit Hilfe von externer Hilfe- und Pflegeleistungen in der Lage ist, in dem erworbenen Familienheim zu leben. Wenn allerdings bei schwerer Pflegebedürftigkeit die Unterstützungsleistungen ein solches Ausmaß annehmen, dass nicht mehr von einer selbstständigen Haushaltsführung in dem Familienheim gesprochen werden kann, sieht es anders aus. Die regelmäßige Inanspruchnahme üblicher Dienste genügt dafür nicht. Entscheidend ist, ob der Erwerber im Wesentlichen eigener Kraft sein Leben bestreiten kann.
Die Feststellungslast für die Umstände, die eine Selbstnutzung des Familienheims objektiv unmöglich machen oder aus objektiven Gründen unzumutbar erscheinen lassen, trägt der Erwerber.